Typische Rechtsprobleme beim Messen der Geschwindigkeit Teil 1

von Prof. Dr. jur. Dieter Müller, Bautzen [1]

 

 

  1. Laser- Geschwindigkeitsmessungen
  2. a) Die behinderte Messung

    Insbesondere bei Lasermessungen wird von Betroffenen oft behauptet, zwischen dem Lasergerät und dem vom Betroffenen geführten Fahrzeug haben sich Gegenstände der verschiedensten Art befunden, welche die Messung beeinträchtigt hätten (diese Erfahrung wird grundsätzlich bestätigt durch BayObLG, VRS 92, 353 ff. und durch BGH, VRS 94, 341 ff., die beispielhaft verschiedene Gegenstände von Sträuchern bis zu einem Tieflader benennen) [2] Erfahrungsgemäß wird diese Behauptung erst dann von Betroffenen aufgestellt, wenn ein Bußgeldbescheid erlassen worden ist.

    Im Rahmen der einer Lasermessung nachfolgenden Anhaltekontrolle sollte von polizeilicher Seite Wert darauf gelegt werden, eine insofern unbehinderte Messung grundsätzlich in den Fällen schriftlich zu protokollieren, in denen der Bereich des Verwarnungsgeldes (5 - 35 €) verlassen wird und zur Ahndung der Ordnungswidrigkeit ein Bußgeldbescheid erlassen werden müsste. Diese möglichst wenigen Stichworten (z.B. mit den Worten: "Messbereich frei von störenden Gegenständen" oder "parkende Pkw am rechten bzw. linken Rand des Messbereichs") gilt unabhängig von dem während der Anhaltekontrolle an den Tag gelegten konkreten Verhalten des Betroffenen. Noch aussagekräftiger wird eine Messung für sämtliche Messverfahren, wenn diese durch eine fotografische Dokumentation des Messraumes obligatorisch begleitet wird (bei unveränderten Bedingungen würde etwa ein Foto im halbstündigen Rhythmus genügen). Bei filmischer Begleitung entfällt diese Formalität gänzlich.

    Bild 1: Auf dem Bild ist die parallel zur Messung laufende filmische Dokumentation des Messraumes deutlich erkennbar. Bild zur Verfügung gestellt mit freundlicher Genehmigung der Firma Leivtec mit Lasermessgerät Leica XV2.

    Eine derartige dokumentarische Begleitung des Messvorganges gibt Bußgeldstellen und Gerichten alle Möglichkeiten, unwahre Behauptungen über durch feste Gegenstände irgendwelcher Art im Verkehrsraum behinderte Messungen (z.B. Verkehrsinseln, Verkehrszeichen, in den Verkehrsraum hineinragende Äste etc.) wirksam zu widerlegen. Die Kosten für diese Fotos betragen nur wenige Cent, die durch Beschaffen von Digitalkameras nochmals reduziert werden könnten. Der bereits kurzfristig messbare Nutzen einer verbesserten Dokumentation liegt im Ersparen immenser Verfahrenskosten infolge von Freisprüchen und Einstellungen wg. Verfahrensfehlern, die dem Staat anheim fallen würden [3].

    b) Der (angeblich) ungeeignete Fahrzeugtyp

    Probleme im Beweiswert von Geschwindigkeitsmessungen kann es im Rahmen von Lasermessungen auch hinsichtlich verschiedener Fahrzeugtypen geben, an denen nur wenige senkrecht zur Fahrbahn stehende Messpunkte vorhanden sind (so üblicherweise bei Fahrzeugen mit sehr niedrigem Luftwiderstandsbeiwert).

    Oft wird von Fahrern dieser sportlich ausgelegten Fahrzeugtypen eine Lasermessung mit der Begründung grundsätzlich angezweifelt, am geführten Fahrzeug befände sich keine senkrechte Messfläche (so offensichtlich im Fall des OLG Naumburg, VRS 92, 129 ff., bei dem Fahrer eines Pkw Porsche). Zumeist wird jedoch das vordere Kfz-Kennzeichen senkrecht zur Fahrbahn auf dem Stoßfänger montiert sein, das eine allseits akzeptierte Messfläche bildet (OLG Saarbrücken, VRS 91, 63 ff.; OLG Naumburg, VRS 92, 129 ff.). Da Lasermessungen mit Anhaltekontrollen kombiniert werden, ist es ebenso möglich, die Geschwindigkeit an der Heckpartie des Kfz zu messen, wenn dieses die Messstelle passiert hat, da das Kfz-Kennzeichen dort eher senkrecht zur Fahrbahn an der Karosserie anmontiert ist.

    Bild 2: Messfoto eines Kfz mit geringem cw-Wert, aber mit deutlich erkennbarem senkrecht angebrachtem Kennzeichen. Bild zur Verfügung gestellt mit freundlicher Genehmigung der Firma Leivtec.

    Im übrigen ist es für eingesetzte Messbeamte zur Vermeidung von späteren Widersprüchen im Einspruchsverfahren ratsam, grundsätzlich im Messprotokoll jeweils die zur Messung benutzte Fläche am Fahrzeug zu vermerken, wenn der Verwarngeldbereich überschritten wurde.

    Zu diesem vereinfachenden Zweck sollte ein internes Abkürzungsverzeichnis gebräuchlicher Messpunkte in jeder polizeilichen Ordnungseinheit erstellt und mittels Legende an die Bußgeldbehörde weitergereicht werden (so etwa mit der Abkürzung "KF" für Kennzeichen an der Fahrzeugfront).

    Im Falle der Einvernahme eines Polizeibeamten als Zeuge einer Lasermessung genügt zur Rechtmäßigkeit der Messung bei vielen Gerichten auch heute schon als Minimalangabe dessen Erklärung, die konkrete Messung habe die erforderlichen Tests ebenso beachtet wie die Bedienungsanleitung sowie die Fehlerfreiheit der Messung (BayObLG, VRS 92, 353 ff.). Keineswegs sollten im Messprotokoll unklare und unprofessionelle Äußerungen wie z.B. das Anvisieren eines Messpunktes "zwischen den Scheinwerfern" erfolgen (so im Fall des OLG Naumburg, VRS 92, 129 ff.), denn der Messpunkt sollte je nach Fahrzeugtyp stets gleichbleibend gewählt und dem entsprechend protokolliert und im Rahmen einer Zeugenaussage auch konkret benannt werden können.

    2. Allgemeine Verteidigungsvorbringen [4]

    Oft werden in einem Einspruchsverfahren als taktisches Verteidigungsvorbringen grundsätzliche Zweifel an der Geschwindigkeitsmessung geäußert, unabhängig von dem eingesetzten Messverfahren. Würde in jedem dieser Fälle ein Sachverständigengutachten mit dem Gegenstand jeder nur möglichen Fehlerquelle eingeholt werden müssen, so wäre eine Behinderung des Rechtsweges die unausweichliche Folge. Im Anschluss an die Rspr. des BGH (VRS 86, 287 ff., bestätigt durch VRS 94, 341 ff.) ist es nur in den Fällen erforderlich ein Sachverständigengutachten einzuholen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vorgetragen werden, die auf realen Anhaltspunkten beruhen (so auch BayObLG, VRS 92, 353 ff.).

    Von großer Bedeutung für den inneren Tatbestand eines Geschwindigkeitsdelikts ist es, ob auf Geschwindigkeitsbegrenzungen rechtzeitig durch Verkehrszeichen hingewiesen worden ist (so z.B. auf ein Krankenhaus in einer Tempo 30-Zone wie im Fall des OLG Hamm, VRS 97, 207 ff.). Beruft sich ein Betroffener darauf, er hätte das Zeichen 274 aus Unachtsamkeit übersehen, so kann diese Angabe vom Verkehrsrichter als Schutzbehauptung bewertet werden, die im Verteidigungsvorbringen sachlich näher hinterfragt werden muss (so im Ergebnis BayObLG VRS 96, S. 456 ff.).

    Zuweilen enthalten weder Ermittlungsergebnisse noch Bußgeldbescheide oder gar Urteile Feststellungen zum subjektiven Tatbestand eines Geschwindigkeitsverstoßes. Dies verwundert, weil bei hohen Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen erlaubter und tatsächlich gefahrener bzw. gemessener und damit nachweisbarer Geschwindigkeit die Annahme einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung nahe liegt (so angenommen vom OLG Hamm, VRS 90, 120 ff., bei einer innerörtlichen Überschreitung von 47 km/h). Liegen keine Angaben zur inneren Tatseite vor, verbleibt es nur allzu oft bei der Annahme fahrlässiger Begehungsweise. In jedem Fall sollte den Fahrzeugführern von Polizeibeamten im Rahmen von Anhaltekontrollen also die konkrete Frage nach dem "warum?" der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung gestellt und die wenn auch oft nur mittels platter Formulierungen gewählte Antwort auf diese wichtige Motivfrage wortgenau protokolliert werden.

    Bei der Bußgeldbemessung sind Bußgeldbehörden und Gerichte nicht gehindert, über den im BKat festgelegten Katalogsatz hinauszugehen, wenn eine vorsätzliche Begehungsweise festgestellt werden kann (Umkehrschluss aus § 1 Abs. 2 BKatV bzw. direkte Anwendung der Ermessensrichtlinie aus Nr. 7.1. der Vorbemerkungen zum Bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog).

    Bild 3: Messfoto eines Kfz wie es als Beweismittel in einen Prozess eingeführt werden kann. Bild zur Verfügung gestellt mit freundlicher Genehmigung der Firma Leivtec.  

    Ist bei einer Geschwindigkeitskontrolle auf dem Messfoto die Geschwindigkeit zusammen mit dem ebenfalls abgerichteten Fahrzeug festgehalten, kann das Messfoto durch Einnahme des Augenscheins ohne weitere Vermittlung eines Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt werden (OLG Stuttgart, VRS 81, 129 ff.).

    Wird auf das Foto als Beweismittel in dem tatrichterlichen Urteil der ersten Instanz (Amtsgericht) ausdrücklich Bezug genommen, darf auch ein Rechtsmittelgericht (Oberlandesgericht) das Foto inhaltlich juristisch würdigen (OLG Düsseldorf, VRS 93, 178 ff.). Dies gilt für die Fälle, in denen das Gericht das Foto selbst in Augenschein und auf die darauf erkennbaren Eigenheiten der abgebildeten Person unmissverständlich Bezug genommen hat (OLG Hamm, VRS 94, 348).

    Der Gegenstand eines dem Einspruch nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens ist juristisch nicht die Geschwindigkeitsmessung durch das von einem Polizeibeamten bediente Radar oder Lichtschrankengerät, sondern die Geschwindigkeit des vom Betroffenen gelenkten Fahrzeugs, für die der vom Radar- oder Lichtschrankengerät angezeigte Wert nur ein, wenn auch in aller Regel sehr zuverlässiges Erkenntnismittel ist.

    Für den Fall, dass ein Betroffener seine gemessene Geschwindigkeit lediglich nicht bestreitet lässt sich auf dieses Minimalgeständnis im gerichtlichen Verfahren eine Verurteilung nicht stützen (OLG Hamm, VRS 61, 292 ff.). Das Gericht muss demnach von der durch den Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit überzeugt sein (OLG Köln, VRS 81, 128 f.). Im Rahmen des Bußgeldverfahrens gelten nämlich lediglich Erleichterungen für die Beweisaufnahme, nicht aber geringere Anforderungen an die Überzeugung des Gerichts (OLG Stuttgart, VRS 71, 287 ff.).

    2. Formale Anforderungen an Geschwindigkeitsmessungen

    Die Rechtsprechung fordert, dass die von dem jeweiligen Messgerät tatsächlich aufgezeigte Geschwindigkeit genau festgestellt wird (siehe dazu nur OLG Stuttgart, VRS 81, 129 ff.). Dieser Grundsatz gilt für die messende Behörde ebenso wie für den Bußgeldrichter am Amtsgericht. Befindet sich die gemessene Geschwindigkeit noch im Bereich eines Verwarnungsgeldes, teilt die Polizei dem Betroffenen im Rahmen einer nachfolgenden Anhaltekontrolle den gemessenen Wert mündlich mit, während bei einem Verzicht auf Anhaltekontrollen eine schriftliche Mitteilung der aufgezeichneten Geschwindigkeit durch die Bußgeldbehörde erfolgt. Im Rahmen beider Mitteilungen muss auch die Höhe der stets zu beachtenden technischen Gerätetoleranz mitgeteilt werden.

    Für Bußgeldrichter gilt ferner die Pflicht in ihrem Urteil mitzuteilen, dass Feststellungen Darüber getroffen werden, ob die erforderlichen Funktionsprüfungen tatsächlich erfolgten, an die - je nach dem Gerätetyp – unterschiedliche Anforderungen zu stellen sind (vgl. dazu OLG Stuttgart, VRS 81, 129 ff.; BayObLG, VRS 74, 384; OLG Köln, VRS 81, 128 f.).

    Zudem ist es je nach Messmethode erforderlich, die folgenden Tatsachen zu erwähnen:

- die Mitteilung des angewandten Messverfahrens (OLG Köln, VRS 95, 126 f.; OLG Hamm, VRS 90, 210 ff.),

- die Beachtung der Bedienungsanleitung für das betreffende Gerät (für den Fall einer Messung mit Lichtschranke gefordert vom OLG Köln, VRS 81, 128 f.),

- die Verwendung eines zugelassenen und geeichten Radargerätes (OLG Düsseldorf, VRS 78, 308 f.),

- die Gültigkeitsdauer der Eichung (für eine Radarmessung gefordert vom OLG Düsseldorf, VRS 74, 214 ff.),

- die eichamtliche Überprüfung der Messstrecke (verlangt für das Koaxialverfahren vom OLG Köln, VRS 84, 110 ff.),

- die Vornahme eines hinreichenden Sicherheitsabzugs von 3 km/h bei Messwerten unter 100 km/h bzw. 3 % bei Messwerten über 100 km/h (BGH, VRS 86, 287 f.; OLG Hamm, VRS 90, 210 f.; OLG Köln, VRS 67, 462; OLG Düsseldorf, VRS 76, 456).

Sind Messergebnisse unter Nichtbeachtung von Richtlinien über die Geschwindigkeitsüberwachung gewonnen worden, unterliegen diese keinem Verwertungsverbot, so dass für betreffende Täter kein Freispruch in Betracht kommt (OLG Oldenburg, VRS 91, 478 ff.).

Dennoch stellen viele Richter entsprechende Verfahren aus Gründen mangelnder Gleichbehandlung gem. § 47 Abs. 2 OWiG ein, wenn von den Mitarbeitern der Kontrollbehörden gegen Richtlinien verstoßen wurde [5]

 

[1] Der Verfasser ist Hochschullehrer für Verkehrsrecht mit Verkehrsstrafrecht an der Fachhochschule für Polizei Sachsen in Rothenburg/Oberlausitz. Vor seiner juristischen Ausbildung war er als Polizeibeamter in Niedersachsen zuletzt im Streifeneinzeldienst tätig.

[2] Die angeführten Gerichtsentscheidungen beziehen sich auf die in der Verkehrsrechtssammlung (VRS) veröffentlichten Urteile und Beschlüsse.

[3] Eine derart verbesserte Dokumentation erfordert freilich eine entsprechende Berücksichtigung dieser Tatsache im Führungs- und Einsatzprozess, d. h. je genauer die Polizei aufgrund der gesteigerten juristischen Anforderungen arbeiten muss, desto zeitaufwändiger gestaltet sich diese Arbeit. Dies müsste sich im Zeit- und Personalansatz niederschlagen. Da die Justiz über eine verbesserte Dokumentation neben einem Mehr an Einzelfallgerechtigkeit auch zu erheblichen Kosteneinsparungen gelangen könnte, wäre eine entsprechende Steigerung des Personalbudgets der Polizei nicht nur wünschenswert, sondern auch mehr als gerecht.

[4] Über charakteristische Verteidigungsvorbringen kann sich der interessierte Leser etwa erkundigen in dem Buch der beiden Anwälte Beck, Wolf- Dieter/Berr, Wolfgang, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, 3. Auflage Heidelberg 1999.

[5] Nähere Angeben zu weiteren Fehlerquellen im OWi-Verfahren sowie eine an der Hauptunfallursache der nicht angepassten Geschwindigkeit orientierte polizeipraktische Kommentierung zum § 3 StVO finden Sie im neuen Kommentar des Verfassers dieses Aufsatzes "StVO aktuell" -Straßenverkehrsordnung mit Kommentar, seit 2001 herausgegeben im bayerischen Verlag Heinrich Vogel, München.

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