Der Verkehrsunterricht gemäß § 48 StVO – eine Anwendungsstudie
Im Jahr 2001 machte der Autor in der Zeitschrift Verkehrsdienst darauf aufmerksam, dass es in der StVO mit dem Verkehrsunterricht nach § 48 eine Vorschrift gibt, die als verkehrspädagogisches Instrument genutzt werden kann . Der Beitrag rief ein bundesweites Echo, insbesondere innerhalb der Länderpolizeien hervor, das der Autor zum Anlass nahm, in den Jahren 2002 und 2003 gemeinsam mit dem Fachbereich Verkehrswissenschaften der Fachhochschule für Polizei Sachsen die tatsächliche Anwendung dieser Maßnahme zu hinterfragen . Im Folgenden werden die Ergebnisse dieser Anwendungsstudie vorgestellt, die vom Institut für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten Bautzen (IVV Bautzen) im Jahr 2004 ausgewertet wurde.
Einleitung
Zu Beginn der nachfolgend dargestellten Untersuchung stand die auf eine Stichprobenerhebung gestützte Vermutung , dass die Vorschrift des § 48, die seit 1970 in unveränderter Form in Kraft ist, von den Straßenverkehrsbehörden nicht mehr praktiziert wird. Ziel der Anwendungsstudie war es daher, einen Überblick über die tatsächliche Anwendung des Verkehrsunterrichts zunächst im Freistaat Sachsen und des Weiteren in anderen Bundesländern zu erhalten, um auf dieser Grundlage Rückschlüsse auf den Nutzen dieser Präventionsvorschrift ziehen zu können .
Methodisches Vorgehen
Zunächst wurde ein Fragebogen erstellt, anhand dessen Fragestellungen
die angeschriebenen Straßenverkehrsbehörden Auskünfte über
ihre Anwendungspraxis des Verkehrsunterrichts geben sollten . Adressaten des
Fragebogens war die Straßenverkehrsbehörde, weil diese Behörde
auf der Grundlage von § 48 organisatorisch die Hauptverantwortung für
die Existenz oder die Nichtexistenz des Verkehrsunterrichts trägt.
Der Fragebogen fragte eingangs den kommunalverfassungsrechtlichen Status ab,
in den die jeweils befragte Straßenverkehrsbehörde organisatorisch
eingebettet ist . Daneben wurden Fragen allgemeinen Inhalts zur Größe
der Gebietskörperschaft und zur Anzahl der Mitarbeiter in der Straßenverkehrsbehörde
gestellt. Sämtliche drei Fragen sollten eine mögliche sachliche Verbindung
zwischen der Größe der Gebietskörperschaft, der Anzahl ihrer
Mitarbeiter in der Straßenverkehrsbehörde und der tatsächlichen
Anwendung des Verkehrsunterrichts offen legen.
Die 15 inhaltlichen Fragen widmeten sich in einem Teil der Fragen dem Komplex
der Organisation und Form (10 Fragen) und in einem weiteren Komplex den Inhalten
des Verkehrsunterrichts (5 Fragen). Auf die einzelnen Inhalte der Fragen wird
im Folgenden, so weit erforderlich, näher eingegangen.
Die Fragebögen wurden im Jahr 2002 an die Straßenverkehrsbehörden
von sämtlichen 29 sächsischen kreisfreien Städten (7 Städte)
und Landkreisen (22) versandt. Da 16 angeschriebene Kommunen antworteten, ergab
sich für die sächsische Teilgruppe eine insgesamt durchaus akzeptable
Rücklaufquote von 55 % .
Im Bundesgebiet wurden weitere 42 Straßenverkehrsbehörden in sämtlichen
anderen Bundesländern angeschrieben . Aus dem Bundesgebiet erfolgte in
den Jahren 2002 und 2003 mit großen zeitlichen Abständen ein Rücklauf
von 27 ausgefüllten Fragebögen, so dass die Rücklaufquote aus
den anderen Bundesländern 64 % betrug und das sächsische Teilergebnis
sogar noch deutlich übertraf. Erfreulicherweise antworteten die Straßenverkehrsbehörden
der drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg allesamt und auch die Rücklaufquote
aus den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen
betrug 100 %. Allein von den drei im Bundesland Schleswig-Holstein angeschriebenen
Kommunen gingen keinerlei Antworten ein, so dass dieses Bundesland nicht zu
den Ergebnissen der Studie beitragen konnte.
Die Gesamtrücklaufquote betrug bei 43 ausgefüllten von 71 versandten
Fragebögen immerhin 60,5 %, was bei Befragungen dieser Art sicherlich bereits
als grundsätzlich vorhandenes kommunales Interesse an der verkehrspädagogischen
Arbeit für die Verkehrssicherheit bewertet werden kann .
Mit den befragten Städten und Landkreisen wurde eine Bevölkerung von
weit mehr als 8 Millionen Menschen aus nahezu allen Bundesländern in der
Umfrage abgebildet. Die Streuung der Fragebögen verteilte sich auf Großstädte
ebenso wie auf Kleinstädte und einwohnerstarke wie einwohnerarme Landkreise
in alten und neuen Bundesländern. Straßenverkehrsbehörden aus
allen Bundesländer hatten grundsätzlich die gleiche Chance, auf die
Fragen zu antworten. Damit bildet die Studie ein recht genaues Bild der Grundgesamtheit
von Straßenverkehrsbehörden bundesdeutscher Städte und Landkreise
ab. Die Studie kann demnach sowohl für den Freistaat Sachsen als auch für
das gesamte Bundesgebiet als repräsentativ bezeichnet werden.
Aus den vielen, z. T. sehr ausführlichen Begleitschreiben, die nahezu durchweg
von den die Untersuchung in der Sache prinzipiell begrüßenden Behörden-
und Amtsleitern persönlich verfasst wurden, ergab sich ein großes
Interesse an den Ergebnissen der Anwendungsstudie. Lediglich ein angeschriebener
Landkreis beklagte sich darüber, dass die Befragung mit dem Landkreistag
des betreffenden Bundeslandes (NRW) inhaltlich nicht abgesprochen war und verweigerte
mit dieser Begründung die Beantwortung der Fragen . Im Umkehrschluss beweist
dieses ermutigende Ergebnis eindrucksvoll die Eigenständigkeit aller anderen
antwortenden kommunalen Gebietskörperschaften in den Sachfragen der Anwendung
des Verkehrsrechts.
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Studie zunächst einmal unkommentiert
dargestellt, um dann in einem bewusst kurz gehaltenen bewertenden Teil ein Fazit
über die neu gewonnenen Erkenntnisse ziehen zu können. Dabei ist der
Verkehrsdienst gerade aus dem Grund eine hervorragende Diskussionsplattform,
weil zahlreiche der beteiligten Gebietskörperschaften zu dessen Abonnentenstamm
zählen und auch der erste Problemaufriss seinerzeit in dieser Zeitschrift
veröffentlicht worden ist.
Die Ergebnisse der Untersuchung
Frage 1: Wird in Ihrem Bereich Verkehrsunterricht nach § 48 StVO derzeit praktiziert?
Die wichtigste Frage der Studie bezog sich auf die tatsächliche Anwendung
des Verkehrunterrichts. Es sollte abgefragt werden, ob das Rechtsinstitut heute
wirklich noch genutzt wird und in welchen Regionen Deutschlands die Nutzung
in überdurchschnittlichem Umfang erfolgt.
Die Frage musste allerdings nach der im voraus erhobenen Stichprobe von der
Prämisse ausgehen, dass der Verkehrsunterricht derzeit in ganz Deutschland
überhaupt nicht mehr angewendet wird.
Den befragten Behörden wurden bei der geschlossen formulierten Frage die
beiden Antwortkategorien Ja und Nein vorgegeben.
Bild 1: Diagramm zur Anwendung des Verkehrsunterrichts
Die Frage wurde von sämtlichen 43 teilnehmenden Behörden beantwortet.
Die Beantwortung zeigte, dass derzeit in sechs Bereichen wird Verkehrsunterricht
erteilt wird, während in den übrigen 37 Zuständigkeitsbereichen
auf die Anwendung des Verkehrsunterrichts verzichtet wird. Auf Grund der geringen
Anzahl der Anwender des Verkehrsunterrichts sollen die positiv antwortenden
Gebietskörperschaften im Folgenden namentlich erwähnt werden . Aus
dem Bundesgebiet wird von den drei Städten Bamberg, Berlin und München
von der Anwendung des § 48 berichtet, während die drei positiven Ergebnisse
des Freistaates Sachsen aus den Landkreisen Chemnitzer Land, Delitzsch und Zwickauer
Land berichtet wurden.
Damit wird bundesweit bei ca. 14 % der antwortenden Teilnehmer und sachsenweit
bei nahezu 19 % der antwortenden Teilnehmer Verkehrsunterricht nach § 48
erteilt. Absolut wird der Verkehrunterricht jedoch derzeit lediglich in den
drei Bundesländern Berlin, Bayern und Sachsen angewandt, während aus
den anderen 13 Bundesländern keine Anwendung des Verkehrsunterrichts bekannt
wurde . In keinem der außerhalb Sachsens befragten Landkreise wird nach
den Ergebnissen Verkehrsunterricht erteilt, so dass die Tendenz erkennbar ist,
Verkehrsunterricht lediglich dort stattfinden zu lassen, wo viele Menschen an
einem Ort konzentriert leben, nämlich in den städtischen Lebensräumen.
Frage 2: Aus welchen Gründen wird der Verkehrsunterricht nicht oder nicht mehr praktiziert?
Die nach dem vorangegangenen Ergebnis der Studie zweitwichtigste Frage bezog
sich auf die Gründe, die bei den 37 befragten und negativ antwortenden
Behörden zu dem aktuellen Verzicht auf die Anwendung des Verkehrsunterrichts
führten.
Als Antwortkategorien wurden sechs in geschlossener Form vorgegebene Antworten
und ein offenes Textfeld angeboten, das mit weiteren Argumenten gefüllt
werden konnte. Mehrfachnennungen waren möglich.
Bild 2: Diagramm zu den Gründen für die Nichtanwendung des Verkehrsunterrichts
Die sechs festen Kategorien wurden wie folgt benannt:
1. Zu wenig Personal 15
2. Unpraktikabel 8
3. Zu Zeitaufwändig 8
4. Sinnlos 4
5. Zu kostenintensiv 3
6. Schlechte Erfahrungen 2
Im freien Textfeld wurden folgende Gründe benannt:
- Die Maßnahmen nach StVG und FeV genügen (6 mal genannt),
- es wird kein greifbares Ergebnis sichtbar (1 mal),
- der Verkehrsunterricht wurde von der Polizei als Disziplinierungsmittel missbraucht
(1 mal),
- es erfolgen keine Benennungen von Personen für den Verkehrsunterricht
(1 mal),
- es sollen zunächst genauere Regelungen nach dem landesweitem Erlass zur
Anwendung des § 48 abgewartet werden.
Damit stützten sich die 37 den Verkehrsunterricht nicht praktizierenden Straßenverkehrsbehörden auf insgesamt 50 benannte Argumente, die nach ihrer Auffassung gegen eine Anwendung dieses Rechtsinstitutes sprechen.
Frage 3: Wurde der Verkehrsunterricht früher einmal praktiziert?
Diejenigen 37 Städte und Landkreise, die derzeit keinen Verkehrsunterricht
erteilen oder erteilen lassen wurden darüber befragt, ob in ihrem Zuständigkeitsbereich
früher einmal vom Verkehrsunterricht Gebrauch gemacht wurde.
Mit dieser Fragestellung sollte die Frage überprüft werden, ob das
Rechtsinstitut in früherer Zeit einmal genutzt oder von Beginn an abgelehnt
wurde.
In insgesamt 13 Fällen wurde der Verkehrsunterricht in früherer Zeit
durchgeführt, wobei die Bandbreite der Einstellung des Verkehrsunterrichts
zwischen den Jahren 1974 bis zum Jahr 2001 schwankte.
Bild 3: Diagramm zur Anwendung des Verkehrsunterrichts in früheren Jahren
Damit wurde in 35 % der die derzeitige Anwendung des Verkehrsunterrichts verneinenden
Behörden dieser Unterricht bereits in früheren, teilweise noch gar
nicht weit entfernten Zeiten für einige Jahre durchgeführt.
Bildet man die Summe aus den derzeitigen und ehemaligen Anwendern des Verkehrsunterrichts
so ergibt sich die Anzahl von 19 Straßenverkehrsbehörden, die überhaupt
einmal Berührung mit der Durchführung des Verkehrsunterrichts hatten
oder noch haben. Damit wurde in 44 % aller antwortenden Behörden der Verkehrsunterricht
bereits einmal für längere Zeit praktiziert, während in 56 %
aller Befragten der Verkehrsunterricht noch nie praktiziert wurde.
Frage 4: Aus welchen Gründen wurde der Verkehrsunterricht aufgegeben?
Auf diese in der Antwortmöglichkeit offen gehaltene Frage konnten nur
die 13 Behörden antworten, in denen der Verkehrsunterricht früher
einmal erteilt, zwischenzeitlich aber aufgegeben wurde. Die Fragestellung bot
den antwortenden Straßenverkehrsbehörden ein weiteres Mal die Gelegenheit,
inhaltliche Argumente für einen Verzicht auf die Ausübung des Verkehrsunterrichts
anzuführen.
Die Antworten wiederholten zu einem großen Teil die auf Frage 2 mitgeteilten
Argumente. Hinzu traten als weitere Argumente ein mehrfach berichtetes nicht
stimmiges Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie eine einmal berichtete Niederlage
in einem Verwaltungsprozess, in dessen Verlauf es um die Rechtmäßigkeit
der Anordnung eines Verkehrsunterrichts ging und der von dem betreffenden Landkreis
mit negativer Kostenfolge verloren wurde .
Zu einem großen Teil waren in den Behörden jedoch keine Informationen
mehr darüber vorhanden, aus welchen Gründen der Verkehrsunterricht
seinerzeit (oft in den 80er Jahren) eingestellt worden ist.
Frage 5: In welcher Form wird bei Ihnen Verkehrsunterricht erteilt?
Die Fragen 5 bis 15 richteten sich ausschließlich an die Behörden,
in denen aktuell Verkehrsunterricht erteilt wird und wurden daher nur von den
sechs praktizierenden Behörden beantwortet.
Sämtliche Behörden berichteten von einem lediglich eintägigen
Verkehrsunterricht. Eine mehrtägige Variante wird nirgendwo in den befragten
Bereichen praktiziert, so dass die Beantwortung der Frage 6, die sich auf die
mehrtägige Variante des Unterrichts bezog, obsolet wurde und damit insgesamt
aus der Untersuchung heraus fiel.
Durchgängig wird der Verkehrsunterricht dabei in der Form einer Doppelstunde
(90 Min.) durchgeführt.
Frage 7: Wer vermittelt die Ausbildungsinhalte?
In der Form von sechs geschlossenen und einer offenen Antwortkategorie wurde
abgefragt, welche Personen den Verkehrsunterricht erteilen. Die sechs geschlossenen
Kategorien erwähnten eigene Mitarbeiter, andere Dozenten, eigene und andere
Dozenten, Fahrlehrer, Polizeibeamte und Mitarbeiter der Verkehrswacht. In der
freien Antwortkategorie konnten Straßenverkehrsbehörden andere Organisationen
benennen, die von ihr mit der Durchführung des Verkehrsunterrichts beauftragt
wurden.
In den sechs beantworteten Fällen wurde der Verkehrsunterricht in vier
Bereichen ausschließlich von Beamten der Polizei und in zwei Bereichen
ausschließlich von Mitarbeitern der Kreisverkehrswacht durchgeführt.
Frage 8: Wie oft findet ein Verkehrsunterricht statt?
In der Form von vier geschlossenen Antwortkategorien wurde abgefragt, wie oft
der Verkehrsunterricht auf das gesamte Jahr gesehen angewendet wird. Es wurde
weder eine monatlichen, noch gar eine wöchentliche Frequenz des stattfindenden
Verkehrsunterrichts vermutet. Die Kategorien reichten über die einmalige
Durchführung über die zweimalige bis zur fünfmaligen oder mehr
als fünfmaligen Durchführung.
Die Antwortpalette auf diese Frage nach der Häufigkeit der Anwendung des
Verkehrsunterrichts reichte von 1 mal/jährlich bis zu mehr als 5 mal/jährlich.
Bei weitem am meisten wird in München vom Verkehrsunterricht Gebrauch gemacht.
Dort findet wöchentlich an 3 – 4 Tagen Verkehrsunterricht statt,
während am unteren Ende der Antworten in der Stadt Bamberg lediglich einmal
im Jahr Verkehrsunterricht erteilt wird.
Frage 9: Wie viele Teilnehmer werden in einem Kurs unterrichtet?
Mit der Frage nach der Anzahl der Teilnehmer pro durchgeführtem Verkehrsunterricht
sollte ein Überblick über den tatsächlichen Durchlauf von Kursteilnehmern
gewonnen werden.
Die Anzahl der Teilnehmer eines Kurses bewegt sich in drei Fällen bei weniger
als 10 Teilnehmern, während in zwei Fällen die berichteten Teilnehmerzahlen
über 15 Teilnehmern liegen. Den Spitzenwert erreichte die Stadt München,
in der die Gruppenstärke der am Verkehrsunterricht teilnehmenden Personen
jeweils zwischen 20 bis 45 Personen beträgt. Einzelunterricht wird nirgendwo
praktiziert.
Frage 10: Wird eine Teilnahmegebühr erhoben?
Mit einem Verkehrsunterricht werden den Kursteilnehmern Lerninhalte durch für
diesen Unterricht besonders qualifizierte Verkehrspädagogen vermittelt.
Diese Leistung kann wie z. B. ein Aufbauseminar grundsätzlich von der Zahlung
einer Kursgebühr als Gegenleistung abhängig gemacht werden.
In keinem der sechs berichteten Fälle wird eine solche Teilnahmegebühr
erhoben, sondern der Verkehrsunterricht für die Kursteilnehmer kostenlos
erteilt.
Frage 11: Auf welcher Vorinformation beruht die Anordnung des Unterrichts?
Der Verkehrsunterricht wird nur dann von der Straßenverkehrsbehörde angeordnet, wenn ihr aktuelle Vorinformationen über dessen Notwendigkeit für bestimmte Personen vorliegen. Diese Vorinformationen können aus unterschiedlichen Quellen stammen.
Berichtet wurde von folgenden Informationsquellen:
- Polizei (4 mal benannt),
- Bußgeldstellen (4 mal),
- Gerichte (2 mal),
- Jugendgerichtshilfe (1 mal).
In keinem Fall wurde über die Kursteilnehmer eine Auskunft aus dem Verkehrszentralregister eingeholt.
Frage 12: Welchen Altersgruppen wird Verkehrsunterricht erteilt?
Nach § 48 ist es möglich den Verkehrsunterricht in unterschiedlichen
Altersgruppen zu erteilen.
In drei Bereichen wird der Verkehrsunterricht ausschließlich in altersgemischten
Gruppen erteilt. In einem Bereich wird der Unterricht ausschließlich der
Gruppe der jungen Fahrerinnen und Fahrer erteilt. In zwei Bereichen, nämlich
den Städten Berlin und München, wird der Unterricht je nach vorhandenen
Meldungen altersgemischt, jungen Fahrerinnen und Fahrern oder Erwachsenen erteilt.
Eine Behörde berichtete von besonderem Verkehrsunterricht ausschließlich
für Senioren.
Frage 13: Welche Unterrichtsinhalte vermitteln Sie?
Die möglichen Unterrichtsinhalte des Verkehrsunterrichts werden von der Vwv-StVO zu § 48 bewusst vage gehalten. Es wurden sechs Kategorien von möglichen Unterrichtsinhalten abgefragt, die wie folgt beantwortet wurden:
- Regeln der StVO (in allen sechs Fällen),
- Verkehrsstrafrecht (in fünf Fällen),
- Gefahrenlehre (in vier Fällen),
- Psychologische Inhalte (in drei Fällen),
- Haftungsrecht (in drei Fällen),
- Bußgeldrecht (in zwei Fällen).
Frage 14: Welche Medien nutzen Sie?
Die Qualität des Unterrichts ist stark von den pädagogischen und
didaktischen Fähigkeiten der vermittelnden Dozenten abhängig. Mit
der Frage wurde in zwei Kategorien die Nutzung von Tageslichtprojektor (Polylux)/Flipchart
bzw. Film/Video abgefragt.
In sämtlichen Fällen des Verkehrsunterrichts werden Filme bzw. Videos
als pädagogisch unterstützende Hilfsmittel eingesetzt. In vier Fällen
werden die Unterrichtsinhalte über Folien bzw. Lehrinhalten auf Flipcharts
transportiert und in einem Fall wurde zusätzlich eine Power-Point-Präsentation
eingesetzt.
Die offenen Frage 15, mit der nach einer Einschätzung über die Chancen und die Zukunft des Verkehrsunterrichts gefragt wurde, ist in keinem Fall beantwortet worden.
Bewertung der Ergebnisse
Die Ergebnisse der Studie können Auswirkungen auf verschiedene Bereiche
der Verkehrssicherheitsarbeit und der dort tätigen Institutionen haben.
Angesprochen ist der Verordnungsgeber, also das Bundesministerium für Verkehr,
Bauen und Wohnen sowie der Bundesrat, in deren Händen die Ausgestaltung
des Rechtsinstituts Verkehrsunterricht liegt. Weiterhin sind aber auch die Verkehrs-
und Innenministerien der Bundesländer angesprochen, die z. B. Anregungen
zu einer möglichen Abschaffung oder Novellierung des Verkehrsunterrichts
geben können.
Ganz direkt angesprochen sind jedoch die Straßenverkehrsbehörden,
und zwar ebenso diejenigen, die derzeit den Verkehrsunterricht anwenden wie
auch diejenigen, die auf dessen Anwendung verzichten.
Schließlich und endlich berührt das Ergebnis der Studie auch die
aktuellen und potenziellen Teilnehmer am Verkehrsunterricht, da sie durchaus
argumentieren könnten, ihnen würde in ihrem Bereich der Verkehrsunterricht
als staatliche verkehrspädagogische Maßnahme zum Ausgleich von Wissensdefiziten
vorenthalten.
Das wichtigste Ergebnis der Befragung zeigt mit einer tatsächlichen aktuellen
Anwendung des Verkehrsunterrichts in nur 6 der antwortenden 43 Straßenverkehrsbehörden
das Bild eines Rechtsinstitutes, dessen Konzept nur in einer absoluten Minderheit
tatsächlich von den Behörden umgesetzt wird.
Auf der Grundlage dieses Gesamtergebnisses bestehen nun drei Handlungsmöglichkeiten
für den Verordnungsgeber.
Als erste Handlungsmöglichkeit könnte der Status quo erhalten bleiben,
damit alles so bleibt, wie es ist. Man würde demnach mit der Tatsache leben,
dass die staatliche Aufgabe des Verkehrsunterrichts bundesweit nur von 14 %
aller Straßenverkehrsbehörden umgesetzt, jedoch von 86 % der zuständigen
Behörden nicht praktiziert wird.
Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang das Ergebnis der Befragung, dass in 56
% aller antwortenden Straßenverkehrsbehören noch nie Verkehrsunterricht
gem. § 48 erteilt wurde. Damit wird die wichtige Frage aufgeworfen, in
welcher Haltung diese Straßenverkehrsbehörden einer staatlichen Pflichtaufgabe
gegenüberstehen, die ihnen vom bundesdeutschen Verordnungsgeber unter zustimmender
Beteiligung aller Bundesländer im Jahr 1970 übertragen worden ist.
Hier ist deutlich an den Sinn des Rechtsinstitutes zu erinnern, der vom Verordnungsgeber
vollkommen zu Recht als ein „gutes Mittel zur unfallverhütenden Aufklärung
der Bevölkerung“ bezeichnet worden ist .
Als zweite Handlungsmöglichkeit könnte gefolgert werden, dass auf
einen in derart wenigen Fällen durchgeführten Verkehrsunterricht gänzlich
verzichtet und der § 48 aus der StVO gestrichen wird. Diese Möglichkeit
würde den wenigen noch verbliebenen Anwendern die Möglichkeit rauben,
ein langjährig praktiziertes Konzept weiterhin durchführen zu können.
An dieser Stelle wird bewusst nicht auf die Möglichkeit eines langjährig
erfolgreichen Konzepts abgehoben, weil diese Aussage auf Grund der vorliegenden
Studie nicht getroffen werden kann. Eine Folgebefragung der sechs den Verkehrsunterricht
durchführenden Straßenverkehrsbehörden befindet sich derzeit
ebenso in der Phase der Konzeption wie ein Modellunterrichtsplan für einen
modernen, aktuellen und effektiven Verkehrsunterricht, der in kürze vorgestellt
werden kann.
Als dritte Handlungsmöglichkeit könnte sich der Verordnungsgeber dazu
entschließen, den § 48 umzuformen und zu ergänzen, um dessen
Anwendungsbreite und –tiefe zu verbessern. Diese Möglichkeit steht
jedoch wegen des nur rudimentär ausgestalteten Rechtsinstituts auch heute
schon den Straßenverkehrsbehörden offen.
Konkrete Ansatzpunkte für Verbesserungen wären dafür etwa die
Einführung eines Qualitätssicherungssystems wie das der Zertifizierung
von Trägern des Verkehrsunterrichts, der durchaus nicht von jeder Straßenverkehrsbehörde
erteilt werden muss, sondern auf wenige zentrale Behörden konzentriert
werden kann.
Weiterhin könnte die Verantwortung für den Verkehrsunterricht zwischen
zwei Institutionen partnerschaftlich aufgeteilt werden, wofür sich die
beiden Modelle Straßenverkehrsbehörde/Polizei oder Straßenverkehrsbehörde/Verkehrswacht
anbieten würden, die auch nebeneinander stehen könnten.
Zusätzlich könnte der Verkehrsunterricht auch von einem kommerziellen
oder nichtkommerziellen Drittanbieter durchgeführt werden, der allerdings
über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur professionellen
Durchführung des Verkehrsunterrichts verfügen müsste. Ein solches
Modell wird derzeit z. B. vom Institut für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten
Bautzen erarbeitet und soll in Zusammenarbeit mit einigen ausgewählten
Straßenverkehrsbehörden demnächst in der Form von Modellprojekten
umgesetzt werden.
In jedem Fall kann jedoch der Verkehrsunterricht auch neben den verkehrspädagogischen Maßnahmen von StVG und FeV seinen Platz im Gesamtsystem der staatlichen Verkehrssicherheitsarbeit finden.
Bild 4: Gesamtbestand der Personen im VZR zum 31.12. des jeweiligen Jahres
Das Punktesystem des § 4 StVG enthält gerade in dem Bereich unterhalb
der Schwelle der Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörden, d. h. bei Fahrerlaubnisinhabern
mit weniger als 8 Punkten im VZR, eine erhebliche Lücke, in der die Fahrerlaubnisinhaber
bislang nicht durch pädagogische Maßnahmen erreicht werden können.
Zudem muss angesichts des trotz der im Punktsystem vorhandenen, für die
Punktetäter sehr großzügigen Rabatt- und Verrechnungsmöglichkeiten
(§ 4 Abs. 4, 5 StVG) ein stetiger Anstieg der im VZR eingetragenen Fahrerlaubnisinhaber
verzeichnet werden, der nicht unbedingt für die Vermutung spricht, die
verkehrspädagogischen und verkehrspsychologischen Hilfemöglichkeiten
würden bei den eingetragenen Personen auch tatsächlich zu den gewünschten
Ergebnissen einer Änderung ihres Fahrverhaltens führen. Es liegt die
Vermutung nahe, dass die Eingriffsschwelle mit 8 Punkten deutlich zu hoch angesetzt
ist und weitere verkehrspädagogische Maßnahmen unterhalb dieser Schwelle
dringend notwendig sind.
Ein weiterer Aspekt spricht für das Wiederbeleben des Verkehrsunterrichts.
Auch die bislang punktefreien Fahrerlaubnisinhaber, die allenfalls mit staatlichen
Sanktionen im Verwarnungsgeldbereich bis zu 35 € Erfahrungen gewonnen haben,
könnten über das Angebot eines konsequent durchgeführten Verkehrsunterrichts
vor weiteren, womöglich riskanteren Verkehrsverstößen mit der
Folge möglicher späterer Eintragungen im VZR bewahrt bleiben. Dazu
müsste allerdings bundesweit flächendeckend ein Verkehrsunterricht
angeboten werden können, der potenziellen Unterrichtsteilnehmern auf moderner
didaktischer Grundlage ein verkehrspädagogisch qualifiziertes Lernangebot
unterbreitet.
Durch die Nichtexistenz des Verkehrsunterrichts im größten Teil der
Bundesrepublik werden vielen Fahrerlaubnisinhabern im Grunde vor einer Erhöhung
ihres Punktekontos die auf niedrigerer Schwelle angesiedelten pädagogischen
Möglichkeiten und Chancen des Verkehrsunterrichts vorenthalten. Diese hilfreichen
Angebote könnten jedoch bei vielen Verkehrsteilnehmern individuell zu einer
Fahrweise führen, die im Ergebnis des Unterrichts deren Punktekonto ebenso
entlasten könnte wie zu einer Steigerung der Verkehrssicherheit führen
würde. Die Basisgrundlagen für ein solches, konkret wirkendes Modell
für einen effektiven Verkehrsunterricht werden derzeit vom IVV Bautzen
erforscht und entwickelt.