Dieter Müller

Der Verkehrsunterricht gemäß § 48 StVO – eine Anwendungsstudie

Im Jahr 2001 machte der Autor in der Zeitschrift Verkehrsdienst darauf aufmerksam, dass es in der StVO mit dem Verkehrsunterricht nach § 48 eine Vorschrift gibt, die als verkehrspädagogisches Instrument genutzt werden kann . Der Beitrag rief ein bundesweites Echo, insbesondere innerhalb der Länderpolizeien hervor, das der Autor zum Anlass nahm, in den Jahren 2002 und 2003 gemeinsam mit dem Fachbereich Verkehrswissenschaften der Fachhochschule für Polizei Sachsen die tatsächliche Anwendung dieser Maßnahme zu hinterfragen . Im Folgenden werden die Ergebnisse dieser Anwendungsstudie vorgestellt, die vom Institut für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten Bautzen (IVV Bautzen) im Jahr 2004 ausgewertet wurde.

Einleitung

Zu Beginn der nachfolgend dargestellten Untersuchung stand die auf eine Stichprobenerhebung gestützte Vermutung , dass die Vorschrift des § 48, die seit 1970 in unveränderter Form in Kraft ist, von den Straßenverkehrsbehörden nicht mehr praktiziert wird. Ziel der Anwendungsstudie war es daher, einen Überblick über die tatsächliche Anwendung des Verkehrsunterrichts zunächst im Freistaat Sachsen und des Weiteren in anderen Bundesländern zu erhalten, um auf dieser Grundlage Rückschlüsse auf den Nutzen dieser Präventionsvorschrift ziehen zu können .

Methodisches Vorgehen

Zunächst wurde ein Fragebogen erstellt, anhand dessen Fragestellungen die angeschriebenen Straßenverkehrsbehörden Auskünfte über ihre Anwendungspraxis des Verkehrsunterrichts geben sollten . Adressaten des Fragebogens war die Straßenverkehrsbehörde, weil diese Behörde auf der Grundlage von § 48 organisatorisch die Hauptverantwortung für die Existenz oder die Nichtexistenz des Verkehrsunterrichts trägt.
Der Fragebogen fragte eingangs den kommunalverfassungsrechtlichen Status ab, in den die jeweils befragte Straßenverkehrsbehörde organisatorisch eingebettet ist . Daneben wurden Fragen allgemeinen Inhalts zur Größe der Gebietskörperschaft und zur Anzahl der Mitarbeiter in der Straßenverkehrsbehörde gestellt. Sämtliche drei Fragen sollten eine mögliche sachliche Verbindung zwischen der Größe der Gebietskörperschaft, der Anzahl ihrer Mitarbeiter in der Straßenverkehrsbehörde und der tatsächlichen Anwendung des Verkehrsunterrichts offen legen.
Die 15 inhaltlichen Fragen widmeten sich in einem Teil der Fragen dem Komplex der Organisation und Form (10 Fragen) und in einem weiteren Komplex den Inhalten des Verkehrsunterrichts (5 Fragen). Auf die einzelnen Inhalte der Fragen wird im Folgenden, so weit erforderlich, näher eingegangen.
Die Fragebögen wurden im Jahr 2002 an die Straßenverkehrsbehörden von sämtlichen 29 sächsischen kreisfreien Städten (7 Städte) und Landkreisen (22) versandt. Da 16 angeschriebene Kommunen antworteten, ergab sich für die sächsische Teilgruppe eine insgesamt durchaus akzeptable Rücklaufquote von 55 % .
Im Bundesgebiet wurden weitere 42 Straßenverkehrsbehörden in sämtlichen anderen Bundesländern angeschrieben . Aus dem Bundesgebiet erfolgte in den Jahren 2002 und 2003 mit großen zeitlichen Abständen ein Rücklauf von 27 ausgefüllten Fragebögen, so dass die Rücklaufquote aus den anderen Bundesländern 64 % betrug und das sächsische Teilergebnis sogar noch deutlich übertraf. Erfreulicherweise antworteten die Straßenverkehrsbehörden der drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg allesamt und auch die Rücklaufquote aus den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen betrug 100 %. Allein von den drei im Bundesland Schleswig-Holstein angeschriebenen Kommunen gingen keinerlei Antworten ein, so dass dieses Bundesland nicht zu den Ergebnissen der Studie beitragen konnte.
Die Gesamtrücklaufquote betrug bei 43 ausgefüllten von 71 versandten Fragebögen immerhin 60,5 %, was bei Befragungen dieser Art sicherlich bereits als grundsätzlich vorhandenes kommunales Interesse an der verkehrspädagogischen Arbeit für die Verkehrssicherheit bewertet werden kann .
Mit den befragten Städten und Landkreisen wurde eine Bevölkerung von weit mehr als 8 Millionen Menschen aus nahezu allen Bundesländern in der Umfrage abgebildet. Die Streuung der Fragebögen verteilte sich auf Großstädte ebenso wie auf Kleinstädte und einwohnerstarke wie einwohnerarme Landkreise in alten und neuen Bundesländern. Straßenverkehrsbehörden aus allen Bundesländer hatten grundsätzlich die gleiche Chance, auf die Fragen zu antworten. Damit bildet die Studie ein recht genaues Bild der Grundgesamtheit von Straßenverkehrsbehörden bundesdeutscher Städte und Landkreise ab. Die Studie kann demnach sowohl für den Freistaat Sachsen als auch für das gesamte Bundesgebiet als repräsentativ bezeichnet werden.
Aus den vielen, z. T. sehr ausführlichen Begleitschreiben, die nahezu durchweg von den die Untersuchung in der Sache prinzipiell begrüßenden Behörden- und Amtsleitern persönlich verfasst wurden, ergab sich ein großes Interesse an den Ergebnissen der Anwendungsstudie. Lediglich ein angeschriebener Landkreis beklagte sich darüber, dass die Befragung mit dem Landkreistag des betreffenden Bundeslandes (NRW) inhaltlich nicht abgesprochen war und verweigerte mit dieser Begründung die Beantwortung der Fragen . Im Umkehrschluss beweist dieses ermutigende Ergebnis eindrucksvoll die Eigenständigkeit aller anderen antwortenden kommunalen Gebietskörperschaften in den Sachfragen der Anwendung des Verkehrsrechts.
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Studie zunächst einmal unkommentiert dargestellt, um dann in einem bewusst kurz gehaltenen bewertenden Teil ein Fazit über die neu gewonnenen Erkenntnisse ziehen zu können. Dabei ist der Verkehrsdienst gerade aus dem Grund eine hervorragende Diskussionsplattform, weil zahlreiche der beteiligten Gebietskörperschaften zu dessen Abonnentenstamm zählen und auch der erste Problemaufriss seinerzeit in dieser Zeitschrift veröffentlicht worden ist.

Die Ergebnisse der Untersuchung

Frage 1: Wird in Ihrem Bereich Verkehrsunterricht nach § 48 StVO derzeit praktiziert?

Die wichtigste Frage der Studie bezog sich auf die tatsächliche Anwendung des Verkehrunterrichts. Es sollte abgefragt werden, ob das Rechtsinstitut heute wirklich noch genutzt wird und in welchen Regionen Deutschlands die Nutzung in überdurchschnittlichem Umfang erfolgt.
Die Frage musste allerdings nach der im voraus erhobenen Stichprobe von der Prämisse ausgehen, dass der Verkehrsunterricht derzeit in ganz Deutschland überhaupt nicht mehr angewendet wird.
Den befragten Behörden wurden bei der geschlossen formulierten Frage die beiden Antwortkategorien Ja und Nein vorgegeben.


Bild 1: Diagramm zur Anwendung des Verkehrsunterrichts

Die Frage wurde von sämtlichen 43 teilnehmenden Behörden beantwortet. Die Beantwortung zeigte, dass derzeit in sechs Bereichen wird Verkehrsunterricht erteilt wird, während in den übrigen 37 Zuständigkeitsbereichen auf die Anwendung des Verkehrsunterrichts verzichtet wird. Auf Grund der geringen Anzahl der Anwender des Verkehrsunterrichts sollen die positiv antwortenden Gebietskörperschaften im Folgenden namentlich erwähnt werden . Aus dem Bundesgebiet wird von den drei Städten Bamberg, Berlin und München von der Anwendung des § 48 berichtet, während die drei positiven Ergebnisse des Freistaates Sachsen aus den Landkreisen Chemnitzer Land, Delitzsch und Zwickauer Land berichtet wurden.
Damit wird bundesweit bei ca. 14 % der antwortenden Teilnehmer und sachsenweit bei nahezu 19 % der antwortenden Teilnehmer Verkehrsunterricht nach § 48 erteilt. Absolut wird der Verkehrunterricht jedoch derzeit lediglich in den drei Bundesländern Berlin, Bayern und Sachsen angewandt, während aus den anderen 13 Bundesländern keine Anwendung des Verkehrsunterrichts bekannt wurde . In keinem der außerhalb Sachsens befragten Landkreise wird nach den Ergebnissen Verkehrsunterricht erteilt, so dass die Tendenz erkennbar ist, Verkehrsunterricht lediglich dort stattfinden zu lassen, wo viele Menschen an einem Ort konzentriert leben, nämlich in den städtischen Lebensräumen.

Frage 2: Aus welchen Gründen wird der Verkehrsunterricht nicht oder nicht mehr praktiziert?

Die nach dem vorangegangenen Ergebnis der Studie zweitwichtigste Frage bezog sich auf die Gründe, die bei den 37 befragten und negativ antwortenden Behörden zu dem aktuellen Verzicht auf die Anwendung des Verkehrsunterrichts führten.
Als Antwortkategorien wurden sechs in geschlossener Form vorgegebene Antworten und ein offenes Textfeld angeboten, das mit weiteren Argumenten gefüllt werden konnte. Mehrfachnennungen waren möglich.

Bild 2: Diagramm zu den Gründen für die Nichtanwendung des Verkehrsunterrichts

Die sechs festen Kategorien wurden wie folgt benannt:

1. Zu wenig Personal 15
2. Unpraktikabel 8
3. Zu Zeitaufwändig 8
4. Sinnlos 4
5. Zu kostenintensiv 3
6. Schlechte Erfahrungen 2

Im freien Textfeld wurden folgende Gründe benannt:

- Die Maßnahmen nach StVG und FeV genügen (6 mal genannt),
- es wird kein greifbares Ergebnis sichtbar (1 mal),
- der Verkehrsunterricht wurde von der Polizei als Disziplinierungsmittel missbraucht (1 mal),
- es erfolgen keine Benennungen von Personen für den Verkehrsunterricht (1 mal),
- es sollen zunächst genauere Regelungen nach dem landesweitem Erlass zur Anwendung des § 48 abgewartet werden.

Damit stützten sich die 37 den Verkehrsunterricht nicht praktizierenden Straßenverkehrsbehörden auf insgesamt 50 benannte Argumente, die nach ihrer Auffassung gegen eine Anwendung dieses Rechtsinstitutes sprechen.

Frage 3: Wurde der Verkehrsunterricht früher einmal praktiziert?

Diejenigen 37 Städte und Landkreise, die derzeit keinen Verkehrsunterricht erteilen oder erteilen lassen wurden darüber befragt, ob in ihrem Zuständigkeitsbereich früher einmal vom Verkehrsunterricht Gebrauch gemacht wurde.
Mit dieser Fragestellung sollte die Frage überprüft werden, ob das Rechtsinstitut in früherer Zeit einmal genutzt oder von Beginn an abgelehnt wurde.
In insgesamt 13 Fällen wurde der Verkehrsunterricht in früherer Zeit durchgeführt, wobei die Bandbreite der Einstellung des Verkehrsunterrichts zwischen den Jahren 1974 bis zum Jahr 2001 schwankte.

Bild 3: Diagramm zur Anwendung des Verkehrsunterrichts in früheren Jahren

Damit wurde in 35 % der die derzeitige Anwendung des Verkehrsunterrichts verneinenden Behörden dieser Unterricht bereits in früheren, teilweise noch gar nicht weit entfernten Zeiten für einige Jahre durchgeführt.
Bildet man die Summe aus den derzeitigen und ehemaligen Anwendern des Verkehrsunterrichts so ergibt sich die Anzahl von 19 Straßenverkehrsbehörden, die überhaupt einmal Berührung mit der Durchführung des Verkehrsunterrichts hatten oder noch haben. Damit wurde in 44 % aller antwortenden Behörden der Verkehrsunterricht bereits einmal für längere Zeit praktiziert, während in 56 % aller Befragten der Verkehrsunterricht noch nie praktiziert wurde.

Frage 4: Aus welchen Gründen wurde der Verkehrsunterricht aufgegeben?

Auf diese in der Antwortmöglichkeit offen gehaltene Frage konnten nur die 13 Behörden antworten, in denen der Verkehrsunterricht früher einmal erteilt, zwischenzeitlich aber aufgegeben wurde. Die Fragestellung bot den antwortenden Straßenverkehrsbehörden ein weiteres Mal die Gelegenheit, inhaltliche Argumente für einen Verzicht auf die Ausübung des Verkehrsunterrichts anzuführen.
Die Antworten wiederholten zu einem großen Teil die auf Frage 2 mitgeteilten Argumente. Hinzu traten als weitere Argumente ein mehrfach berichtetes nicht stimmiges Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie eine einmal berichtete Niederlage in einem Verwaltungsprozess, in dessen Verlauf es um die Rechtmäßigkeit der Anordnung eines Verkehrsunterrichts ging und der von dem betreffenden Landkreis mit negativer Kostenfolge verloren wurde .
Zu einem großen Teil waren in den Behörden jedoch keine Informationen mehr darüber vorhanden, aus welchen Gründen der Verkehrsunterricht seinerzeit (oft in den 80er Jahren) eingestellt worden ist.

Frage 5: In welcher Form wird bei Ihnen Verkehrsunterricht erteilt?

Die Fragen 5 bis 15 richteten sich ausschließlich an die Behörden, in denen aktuell Verkehrsunterricht erteilt wird und wurden daher nur von den sechs praktizierenden Behörden beantwortet.
Sämtliche Behörden berichteten von einem lediglich eintägigen Verkehrsunterricht. Eine mehrtägige Variante wird nirgendwo in den befragten Bereichen praktiziert, so dass die Beantwortung der Frage 6, die sich auf die mehrtägige Variante des Unterrichts bezog, obsolet wurde und damit insgesamt aus der Untersuchung heraus fiel.
Durchgängig wird der Verkehrsunterricht dabei in der Form einer Doppelstunde (90 Min.) durchgeführt.

Frage 7: Wer vermittelt die Ausbildungsinhalte?

In der Form von sechs geschlossenen und einer offenen Antwortkategorie wurde abgefragt, welche Personen den Verkehrsunterricht erteilen. Die sechs geschlossenen Kategorien erwähnten eigene Mitarbeiter, andere Dozenten, eigene und andere Dozenten, Fahrlehrer, Polizeibeamte und Mitarbeiter der Verkehrswacht. In der freien Antwortkategorie konnten Straßenverkehrsbehörden andere Organisationen benennen, die von ihr mit der Durchführung des Verkehrsunterrichts beauftragt wurden.
In den sechs beantworteten Fällen wurde der Verkehrsunterricht in vier Bereichen ausschließlich von Beamten der Polizei und in zwei Bereichen ausschließlich von Mitarbeitern der Kreisverkehrswacht durchgeführt.

Frage 8: Wie oft findet ein Verkehrsunterricht statt?

In der Form von vier geschlossenen Antwortkategorien wurde abgefragt, wie oft der Verkehrsunterricht auf das gesamte Jahr gesehen angewendet wird. Es wurde weder eine monatlichen, noch gar eine wöchentliche Frequenz des stattfindenden Verkehrsunterrichts vermutet. Die Kategorien reichten über die einmalige Durchführung über die zweimalige bis zur fünfmaligen oder mehr als fünfmaligen Durchführung.
Die Antwortpalette auf diese Frage nach der Häufigkeit der Anwendung des Verkehrsunterrichts reichte von 1 mal/jährlich bis zu mehr als 5 mal/jährlich.
Bei weitem am meisten wird in München vom Verkehrsunterricht Gebrauch gemacht. Dort findet wöchentlich an 3 – 4 Tagen Verkehrsunterricht statt, während am unteren Ende der Antworten in der Stadt Bamberg lediglich einmal im Jahr Verkehrsunterricht erteilt wird.

Frage 9: Wie viele Teilnehmer werden in einem Kurs unterrichtet?

Mit der Frage nach der Anzahl der Teilnehmer pro durchgeführtem Verkehrsunterricht sollte ein Überblick über den tatsächlichen Durchlauf von Kursteilnehmern gewonnen werden.
Die Anzahl der Teilnehmer eines Kurses bewegt sich in drei Fällen bei weniger als 10 Teilnehmern, während in zwei Fällen die berichteten Teilnehmerzahlen über 15 Teilnehmern liegen. Den Spitzenwert erreichte die Stadt München, in der die Gruppenstärke der am Verkehrsunterricht teilnehmenden Personen jeweils zwischen 20 bis 45 Personen beträgt. Einzelunterricht wird nirgendwo praktiziert.

Frage 10: Wird eine Teilnahmegebühr erhoben?

Mit einem Verkehrsunterricht werden den Kursteilnehmern Lerninhalte durch für diesen Unterricht besonders qualifizierte Verkehrspädagogen vermittelt. Diese Leistung kann wie z. B. ein Aufbauseminar grundsätzlich von der Zahlung einer Kursgebühr als Gegenleistung abhängig gemacht werden.
In keinem der sechs berichteten Fälle wird eine solche Teilnahmegebühr erhoben, sondern der Verkehrsunterricht für die Kursteilnehmer kostenlos erteilt.

Frage 11: Auf welcher Vorinformation beruht die Anordnung des Unterrichts?

Der Verkehrsunterricht wird nur dann von der Straßenverkehrsbehörde angeordnet, wenn ihr aktuelle Vorinformationen über dessen Notwendigkeit für bestimmte Personen vorliegen. Diese Vorinformationen können aus unterschiedlichen Quellen stammen.

Berichtet wurde von folgenden Informationsquellen:

- Polizei (4 mal benannt),
- Bußgeldstellen (4 mal),
- Gerichte (2 mal),
- Jugendgerichtshilfe (1 mal).

In keinem Fall wurde über die Kursteilnehmer eine Auskunft aus dem Verkehrszentralregister eingeholt.

Frage 12: Welchen Altersgruppen wird Verkehrsunterricht erteilt?

Nach § 48 ist es möglich den Verkehrsunterricht in unterschiedlichen Altersgruppen zu erteilen.
In drei Bereichen wird der Verkehrsunterricht ausschließlich in altersgemischten Gruppen erteilt. In einem Bereich wird der Unterricht ausschließlich der Gruppe der jungen Fahrerinnen und Fahrer erteilt. In zwei Bereichen, nämlich den Städten Berlin und München, wird der Unterricht je nach vorhandenen Meldungen altersgemischt, jungen Fahrerinnen und Fahrern oder Erwachsenen erteilt. Eine Behörde berichtete von besonderem Verkehrsunterricht ausschließlich für Senioren.

Frage 13: Welche Unterrichtsinhalte vermitteln Sie?

Die möglichen Unterrichtsinhalte des Verkehrsunterrichts werden von der Vwv-StVO zu § 48 bewusst vage gehalten. Es wurden sechs Kategorien von möglichen Unterrichtsinhalten abgefragt, die wie folgt beantwortet wurden:

- Regeln der StVO (in allen sechs Fällen),
- Verkehrsstrafrecht (in fünf Fällen),
- Gefahrenlehre (in vier Fällen),
- Psychologische Inhalte (in drei Fällen),
- Haftungsrecht (in drei Fällen),
- Bußgeldrecht (in zwei Fällen).

Frage 14: Welche Medien nutzen Sie?

Die Qualität des Unterrichts ist stark von den pädagogischen und didaktischen Fähigkeiten der vermittelnden Dozenten abhängig. Mit der Frage wurde in zwei Kategorien die Nutzung von Tageslichtprojektor (Polylux)/Flipchart bzw. Film/Video abgefragt.
In sämtlichen Fällen des Verkehrsunterrichts werden Filme bzw. Videos als pädagogisch unterstützende Hilfsmittel eingesetzt. In vier Fällen werden die Unterrichtsinhalte über Folien bzw. Lehrinhalten auf Flipcharts transportiert und in einem Fall wurde zusätzlich eine Power-Point-Präsentation eingesetzt.

Die offenen Frage 15, mit der nach einer Einschätzung über die Chancen und die Zukunft des Verkehrsunterrichts gefragt wurde, ist in keinem Fall beantwortet worden.

Bewertung der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie können Auswirkungen auf verschiedene Bereiche der Verkehrssicherheitsarbeit und der dort tätigen Institutionen haben.
Angesprochen ist der Verordnungsgeber, also das Bundesministerium für Verkehr, Bauen und Wohnen sowie der Bundesrat, in deren Händen die Ausgestaltung des Rechtsinstituts Verkehrsunterricht liegt. Weiterhin sind aber auch die Verkehrs- und Innenministerien der Bundesländer angesprochen, die z. B. Anregungen zu einer möglichen Abschaffung oder Novellierung des Verkehrsunterrichts geben können.
Ganz direkt angesprochen sind jedoch die Straßenverkehrsbehörden, und zwar ebenso diejenigen, die derzeit den Verkehrsunterricht anwenden wie auch diejenigen, die auf dessen Anwendung verzichten.
Schließlich und endlich berührt das Ergebnis der Studie auch die aktuellen und potenziellen Teilnehmer am Verkehrsunterricht, da sie durchaus argumentieren könnten, ihnen würde in ihrem Bereich der Verkehrsunterricht als staatliche verkehrspädagogische Maßnahme zum Ausgleich von Wissensdefiziten vorenthalten.

Das wichtigste Ergebnis der Befragung zeigt mit einer tatsächlichen aktuellen Anwendung des Verkehrsunterrichts in nur 6 der antwortenden 43 Straßenverkehrsbehörden das Bild eines Rechtsinstitutes, dessen Konzept nur in einer absoluten Minderheit tatsächlich von den Behörden umgesetzt wird.
Auf der Grundlage dieses Gesamtergebnisses bestehen nun drei Handlungsmöglichkeiten für den Verordnungsgeber.
Als erste Handlungsmöglichkeit könnte der Status quo erhalten bleiben, damit alles so bleibt, wie es ist. Man würde demnach mit der Tatsache leben, dass die staatliche Aufgabe des Verkehrsunterrichts bundesweit nur von 14 % aller Straßenverkehrsbehörden umgesetzt, jedoch von 86 % der zuständigen Behörden nicht praktiziert wird.
Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang das Ergebnis der Befragung, dass in 56 % aller antwortenden Straßenverkehrsbehören noch nie Verkehrsunterricht gem. § 48 erteilt wurde. Damit wird die wichtige Frage aufgeworfen, in welcher Haltung diese Straßenverkehrsbehörden einer staatlichen Pflichtaufgabe gegenüberstehen, die ihnen vom bundesdeutschen Verordnungsgeber unter zustimmender Beteiligung aller Bundesländer im Jahr 1970 übertragen worden ist. Hier ist deutlich an den Sinn des Rechtsinstitutes zu erinnern, der vom Verordnungsgeber vollkommen zu Recht als ein „gutes Mittel zur unfallverhütenden Aufklärung der Bevölkerung“ bezeichnet worden ist .
Als zweite Handlungsmöglichkeit könnte gefolgert werden, dass auf einen in derart wenigen Fällen durchgeführten Verkehrsunterricht gänzlich verzichtet und der § 48 aus der StVO gestrichen wird. Diese Möglichkeit würde den wenigen noch verbliebenen Anwendern die Möglichkeit rauben, ein langjährig praktiziertes Konzept weiterhin durchführen zu können. An dieser Stelle wird bewusst nicht auf die Möglichkeit eines langjährig erfolgreichen Konzepts abgehoben, weil diese Aussage auf Grund der vorliegenden Studie nicht getroffen werden kann. Eine Folgebefragung der sechs den Verkehrsunterricht durchführenden Straßenverkehrsbehörden befindet sich derzeit ebenso in der Phase der Konzeption wie ein Modellunterrichtsplan für einen modernen, aktuellen und effektiven Verkehrsunterricht, der in kürze vorgestellt werden kann.
Als dritte Handlungsmöglichkeit könnte sich der Verordnungsgeber dazu entschließen, den § 48 umzuformen und zu ergänzen, um dessen Anwendungsbreite und –tiefe zu verbessern. Diese Möglichkeit steht jedoch wegen des nur rudimentär ausgestalteten Rechtsinstituts auch heute schon den Straßenverkehrsbehörden offen.
Konkrete Ansatzpunkte für Verbesserungen wären dafür etwa die Einführung eines Qualitätssicherungssystems wie das der Zertifizierung von Trägern des Verkehrsunterrichts, der durchaus nicht von jeder Straßenverkehrsbehörde erteilt werden muss, sondern auf wenige zentrale Behörden konzentriert werden kann.
Weiterhin könnte die Verantwortung für den Verkehrsunterricht zwischen zwei Institutionen partnerschaftlich aufgeteilt werden, wofür sich die beiden Modelle Straßenverkehrsbehörde/Polizei oder Straßenverkehrsbehörde/Verkehrswacht anbieten würden, die auch nebeneinander stehen könnten.
Zusätzlich könnte der Verkehrsunterricht auch von einem kommerziellen oder nichtkommerziellen Drittanbieter durchgeführt werden, der allerdings über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur professionellen Durchführung des Verkehrsunterrichts verfügen müsste. Ein solches Modell wird derzeit z. B. vom Institut für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten Bautzen erarbeitet und soll in Zusammenarbeit mit einigen ausgewählten Straßenverkehrsbehörden demnächst in der Form von Modellprojekten umgesetzt werden.

In jedem Fall kann jedoch der Verkehrsunterricht auch neben den verkehrspädagogischen Maßnahmen von StVG und FeV seinen Platz im Gesamtsystem der staatlichen Verkehrssicherheitsarbeit finden.


Bild 4: Gesamtbestand der Personen im VZR zum 31.12. des jeweiligen Jahres

Das Punktesystem des § 4 StVG enthält gerade in dem Bereich unterhalb der Schwelle der Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörden, d. h. bei Fahrerlaubnisinhabern mit weniger als 8 Punkten im VZR, eine erhebliche Lücke, in der die Fahrerlaubnisinhaber bislang nicht durch pädagogische Maßnahmen erreicht werden können.
Zudem muss angesichts des trotz der im Punktsystem vorhandenen, für die Punktetäter sehr großzügigen Rabatt- und Verrechnungsmöglichkeiten (§ 4 Abs. 4, 5 StVG) ein stetiger Anstieg der im VZR eingetragenen Fahrerlaubnisinhaber verzeichnet werden, der nicht unbedingt für die Vermutung spricht, die verkehrspädagogischen und verkehrspsychologischen Hilfemöglichkeiten würden bei den eingetragenen Personen auch tatsächlich zu den gewünschten Ergebnissen einer Änderung ihres Fahrverhaltens führen. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Eingriffsschwelle mit 8 Punkten deutlich zu hoch angesetzt ist und weitere verkehrspädagogische Maßnahmen unterhalb dieser Schwelle dringend notwendig sind.
Ein weiterer Aspekt spricht für das Wiederbeleben des Verkehrsunterrichts. Auch die bislang punktefreien Fahrerlaubnisinhaber, die allenfalls mit staatlichen Sanktionen im Verwarnungsgeldbereich bis zu 35 € Erfahrungen gewonnen haben, könnten über das Angebot eines konsequent durchgeführten Verkehrsunterrichts vor weiteren, womöglich riskanteren Verkehrsverstößen mit der Folge möglicher späterer Eintragungen im VZR bewahrt bleiben. Dazu müsste allerdings bundesweit flächendeckend ein Verkehrsunterricht angeboten werden können, der potenziellen Unterrichtsteilnehmern auf moderner didaktischer Grundlage ein verkehrspädagogisch qualifiziertes Lernangebot unterbreitet.
Durch die Nichtexistenz des Verkehrsunterrichts im größten Teil der Bundesrepublik werden vielen Fahrerlaubnisinhabern im Grunde vor einer Erhöhung ihres Punktekontos die auf niedrigerer Schwelle angesiedelten pädagogischen Möglichkeiten und Chancen des Verkehrsunterrichts vorenthalten. Diese hilfreichen Angebote könnten jedoch bei vielen Verkehrsteilnehmern individuell zu einer Fahrweise führen, die im Ergebnis des Unterrichts deren Punktekonto ebenso entlasten könnte wie zu einer Steigerung der Verkehrssicherheit führen würde. Die Basisgrundlagen für ein solches, konkret wirkendes Modell für einen effektiven Verkehrsunterricht werden derzeit vom IVV Bautzen erforscht und entwickelt.