Zwangsmaßnahmen und Grundrechtseingriffe

im Ermittlungsverfahren

 

Klaus Malek und Wolfgang Wohlers

  als Band 13 aus der Reihe "Praxis der Strafverteidigung", hrsg. von Dr. Josef Augstein(†), Prof. Dr. Werner Beulke und Prof. Dr. Hans-Ludwig Schreiber C.F. Müller, Hüthig Fachverlage, Heidelberg, 2. Auflage 2001, ISBN 3-8114-9952-1, 271 Seiten, kartoniert, 32,70 €

gelesen und bewertet von Prof. Dr. jur. Dieter Müller, Bautzen

Immer dann, wenn im strafverfahrensrechtlichen Ermittlungsverfahren seitens der Staatsmacht in die Grundrechte von Beschuldigten eingegriffen wird, bedarf dieses Tätigwerden einer besonderen Legitimierung. An diesem Punkt des Strafverfahrens wird die erste Zielrichtung der im Grundgesetz zugesicherten Grundrechte deutlich, nämlich als Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat wirksam zu werden. Oft können Bürger jedoch den drohenden Eingriff nicht richtig einordnen bzw. bereits erfolgte Eingriffe in ihrem Umfang nicht korrekt bewerten. Wie denn auch? Schließlich handelt es sich um eine höchst komplizierte Rechtsmaterie, bei deren Betrachtung die einzelnen Bürger zumeist auf professionelle Hilfe angewiesen sind. Genau an diesem Punkt setzt das vorliegende Praxishandbuch an. Es will Strafverteidigern bei ihrem Beruf, ihre Mandanten professionell zu verteidigen, konkrete Hilfestellung leisten. Behandelt werden in diesem Buch einerseits die aktuelle Rechtslage auf der Grundlage der herrschenden Rechtsprechung und andererseits praktische Ratschläge für eine erfolgreiche Verteidigungstaktik. Ergänzt wird dieser praxisnahe Ansatz durch eine Sammlung von schriftlichen Musterschriftsätzen und -anträgen. Beide Autoren sind einerseits versierte Rechtsanwälte und daneben auch Dozenten in Sachen Aus- und Fortbildung von Juristen und Strafverteidigern.     Inhaltlich bietet der Band einen Überblick über folgende Themenkomplexe:
  1. Durchsuchung gem. §§ 102 ff.
  2. Beschlagnahme gem. §§ 94 ff.
  3. Körperliche Untersuchung gem. § 81 a
  4. DNA-Analyse gem. § 81 e ff.
  5. Unterbringung zur Beobachtung gem. § 81
  6. Identifizierungsmaßnahmen und ED-Behandlung gem. §§ 81 b, 163 b, 163 c
  7. Überwachung der Telekommunikation gem. § 100 a
  8. Verdeckte Ermittler gem. § 110 a und V-Leute
  9. Einsatz technischer Mittel gem. § 100 c
  10. Rasterfahndung und Datenabgleich gem. §§ 98 a, 98 b, 98 c
  11. Kontrollstellen gem. § 111
  12. Netzfahndung gem. § 163 f
  13. Polizeiliche Beobachtung und längerfristige Observation gem. §§ 163 e, 163 f
Eingearbeitet wurde in der vorliegenden 2. Auflage des Werkes das Strafverfahrensgesetz 1999 vom 2.8.2000. Es ist keine Frage, dass sich ein Strafverteidiger in der Materie der Zwangsmaßnahmen und Grundrechtseingriffe im Ermittlungsverfahren sowohl materiell als auch formell besonders gut auskennen muss. Dies fordert auf der Rechtsgrundlage des Mandatsverhältnisses zu Recht bereits der Mandant und der vorliegende Ratgeber ist bestens dazu geeignet, ein probates Hilfsmittel auf dem Weg zu sein, diese Forderung zu erfüllen. Aber es ist auch aus weiteren Gründen wichtig, sich in diesem Verfahrensabschnitt gut auszukennen. Im Ermittlungsverfahren ist die Staatsanwaltschaft Herrin des Verfahrens und es handeln ganz überwiegend deren Hilfsbeamte von der Vollzugspolizei. Dieses Verhältnis der Über- und Unterordnung stimmt, was vollkommen zu Recht in der letzten Zeit immer wieder thematisiert worden ist, nun aber für die allermeisten Fälle nur noch auf dem Papier des Gesetzes. In Wahrheit ist das Ermittlungsverfahren bereits seit vielen Jahren kraft einer überlegenen Sach- und Personalausstattung de facto auf die Polizei übergegangen. Ungeachtet dessen muss sich jeder Strafverteidiger ab dem Zeitpunkt der Mandatserteilung in die Ermittlungssituation hineindenken und, wenn es ihm möglich ist, die nächsten Schritte von Polizei und Staatsanwaltschaft bereits vorausahnen, um seine Verteidigungsstrategie danach auszurichten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, bereits zu einem frühen Zeitpunkt den richtigen Weg im Umgang mit den Strafverfolgungsbehörden zu wählen. Geht ein Strafverteidiger bereits frühzeitig auf Konfliktkurs, so werden ihm nicht selten ungeahnte Probleme im Verhältnis zu den ermittelnden Beamten begegnen, die erfahreneren Verteidigern vielleicht eher erspart bleiben. Grundsätzlich werden die Ermittlungsbehörden dem Strafverteidiger in dieser Phase des Strafverfahrens immer einen Schritt voraus sein und es wird das Bestreben der Verteidigung sein müssen, diesen Vorsprung nicht zu groß werden zu lassen. Hier bietet das vorliegende Buch den fachlich noch nicht so versierten Berufsanfängern eine solche Fülle an wertvollen Informationen, die es ohne weiteres ermöglicht der erwarteten Rolle der Verteidigung als Kontrollfaktor im Ermittlungsverfahren gerecht zu werden (deutlich hervorgehoben auf S. 3 des Buches). Ein besonderes Verdienst des Ratgebers ist es, den Verteidiger für Problemlagen zu sensibilisieren, die ihm bei einer oberflächlicheren Sicht der Dinge womöglich verborgen geblieben wären. Die damit verbundene Unkenntnis würde als Manko direkt auf die Verteidigung durchschlagen und zu Nachteilen für den Mandanten führen können. Insgesamt bleiben die Autoren stets wohltuend realistisch, was insbesondere daran deutlich wird, dass dem Leser keine allzu großen Hoffnungen auf schnelle Erfolge bereits im Ermittlungsverfahren vorgegaukelt werden (so z. B. bei der Problematik von Verfahrensmängeln als Prozesshindernisse, S. 50, oder bei der Frontstellung im Rahmen der Telefonüberwachung, S. 170 f.). Als eines von mehreren im Buch versteckten Bonbons ist eine alphabetische Sammlung von Hinweisen zu Beschlagnahme- und Verwertungsverboten herauszuheben (S. 82 ff.), die als probate Arbeitshilfe vielen Verteidigern Sucharbeit und damit Zeit ersparen wird. Diese Zeitersparnis ist grundsätzlich der wichtigste Vorteil, den ein im Ermittlungsverfahren tätiger Strafverteidiger, der nicht unbedingt "nur" ein Berufsanfänger sein muss, als Honig aus diesem Ratgeber saugen kann. Bei der Vielzahl der notwendigen Mandate, die eine Kanzlei wirtschaftlich tragen müssen, wird gerade dieser Zeitfaktor als Kaufempfehlung zu Buche schlagen. Der and zählt zur Standardliteratur für Strafverteidiger, kann aber auch für ermittelnde Beamte von Polizei und Staatsanwaltschaft interessant sein, wenn diese sich einmal grundsätzlich mit ihrem Gegenpart im Ermittlungsverfahren auseinandersetzen wollen.